BerlinBrennt Wir kämpfen weiter
Notrufzahlen konstant – Einsätze nehmen weiter zu!
Eine der von BerlinBrennt formulierten Kernthesen lautet:
Die Anzahl der Notrufe ist seit Mitte der 2000er Jahre relativ konstant geblieben und schwankt im niedrigeneinstelligen Prozentbereich. Erheblich gewachsen ist hingegen die Zahl der Einsätze, die aus den Notrufen resultieren. Diese haben sich seither entkoppelt und sind um mehr als 60% (seit 2008) gestiegen. Die massiven Einsatzsteigerungen sind folglich hausgemacht und entstehen lediglich aus einer veränderten Bewertung der Nothilfebedürftigkeit und der daraus resultierenden Einsatzmittelbeschickung. Die Hauptursache für diese veränderte Bewertung ist der sture Einsatz eines „Standardisierten Notrufabfrageprotokolls“ – kurz SNAP.
Um die Kernthese des BerlinBrennt e.V. erneut zu untermauern und der Zahl der Notrufe den Stellenwert einzuräumen, den diese eigentlich verdient, wurde im Januar 2024 eine Anfrage nach dem
Informationsfreiheitsgesetz gestellt, um die Anzahl der Notrufe für das Jahr 2023 zu ermitteln (siehe Tabelle 1). Im Jahr 2023 betrug die Zahl der Notrufe 1.215.052 und ist damit gegenüber
dem Vorjahr sogar unmerklich gesunken (1.222.955 Anrufe im Jahr 2022). Durch die Anfrage ergab sich weiterhin, dass zwar rund 1,2 Millionen Anrufe bei der Feuerwehr eingehen aber nur 876.324 angenommen werden. Eine große Menge legt also vor Annahme auf (verwählt etc.). Eine weitere große Anzahl verwählter oder versehentlich in der Tasche ausgelöster Anrufe abgezogen, verbleiben 521.765 Anrufe die, in der Regel mittels SNAP, abgefragt werden. Davon werden dann 38.308 an die Kassenärztliche Vereinigung abgegeben. Bei den 31.389 Einsätzen ohne Protokoll handelt es sich u. a. um automatisierte Alarmierungen (z.B. Auslösung einer Brandmeldeanlage, E-Calls etc.).
Festzustellen ist: die Anzahl der Notrufe im Jahr 2023 reiht sich unaufgeregt in die Zahlenreihe der Vorjahre ein (siehe Grafik 2 – Entwicklung der Notrufzahlen).
Die Erarbeitung der Grafik wurde dadurch erschwert, dass die Berliner Feuerwehr die Gesamtzahl der Notrufe jahrelang nicht veröffentlicht hat und sich die Statistiker des BerlinBrennt e.V. diese umständlich aus verschiedenen Quellen (Parlamentsanfragen, Jahresberichte, Informationsfreiheitsanfragen) zusammensuchen bzw. händisch teils überschlagsartig errechnen mussten. Was auch diese IFG-Anfrage erforderlich machte.
Randnotiz: Ein Einfluss der Informationskampagne im Jahr 2021 zur Senkung der Notrufzahlen ist bei Betrachtung der Entwicklung der Notrufzahlen (wie zu erwarten) nicht zu erkennen. Diese darf somit getrost als Steuergeldverschwendung angesehen werden.
Die dennoch jahrelange anhaltende Steigerung der Einsatzzahlen (siehe Grafik 3) geht mit der sukzessiven Steigerung der Anwendungsquote (also der Häufigkeit der Anwendung des Protokolls) sowie der explizit gewollten Steigerung der Anwendungsgenauigkeit des SNAP-Protokolls in der Feuerwehrleitstelle einher. Je höher Anwendungsquote und Anwendungsgenauigkeit, desto mehr Einsätze werden aus der gleichen Anzahl an Notrufen generiert.
Seitens der Behördenleitung sowie der politisch Verantwortlichen wurde in der Vergangenheit kommuniziert, dass für die Einsatzsteigerung einzig das Notrufverhalten der Bevölkerung verantwortlich zeichnen würde. Es wurde suggeriert, die Bevölkerung trüge selber die Verantwortung für den massiven Belastungssanstieg. Leichtfertig wurde ein postfaktisches Narrativ geprägt: Die Menschen rufen einfach häufiger an. Das ist angesichts der vorliegenden Zahlen nicht der Fall. Um eine Lanze für die Bevölkerung unserer Stadt zu brechen und es klar zu benennen: Es ist nicht die gesunkene Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung, sondern die Unfähigkeit des Abfragesystems der Berliner Feuerwehr, mit überforderten Anrufern umzugehen.
Der untaugliche Versuch, einer komplexen Ausnahmesituation in einem (oft vermeintlichen) Notfall eines Menschen mittels der sturen Anwendung eines unmenschlichen Abfrageprotokolls gerecht zu werden, führte in der Vergangenheit zwangsläufig zum massiven Einsatzanstieg und damit zu einer anhaltenden Überforderung der Rettungsdienststrukturen.
BerlinBrennt e.V.
Wir danken an dieser Stelle allen Beteiligten der Berliner Feuerwehr, die unsere Anfrage gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz fair und professionell abgearbeitet haben.